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  • AutorenbildAnna Henschel

Panorama, Woche 10, Roadtrip nach Südtirol



Reisen ist Heimat in Herz und Verstand


Es ist immer wieder schön, festzustellen, dass wir auf Reisen und nicht nur im Urlab sind. Eine Abhandlung dazu gab es bereits in einem früheren Eintrag. Heute ist ausschlaggebend, dass wir nach fast drei Wochen in der Tarn- bzw. Jonteschlucht an einen Ort zurückgekehrt sind, an dem wir zuvor über sechs Wochen verbracht hatten und wo sich nun ein fast schon nostalgisches Gefühl von Heimat eingestellt hat: Val Durance.

Inzwischen wissen wir aber, dass Heimat überall sein kann, weshalb wir hier nur auf der Durchreise sind, um uns eine neue zu suchen.

Noch ein letztes Mal am See Yoga machen und meditieren, ein letztes Mal am Mont Dauphin klettern gehen und ein erstes Mal die Erinnerung an eine wunderbare Zeit in Frankreich Revue passieren lassen, die mehr war als nur die Summe ihrer Ereignisse und Menschen.








Diese Zeit hinterlässt einen nahrhaften Bodensatz und die Gewissheit, sich zu Hause fühlen, nicht wo, sondern wann das Herz ist. Denn Zuhause scheint kein Ort, sondern ein Zustand zu sein, der in dem Augenblick seinen Durchbruch feiert, wenn Herz und Verstand auf Augenhöhe sind. Im Moment, in dem alles stimmt und Erinnerung auf Gegenwart in einer Woge des Wohlgefallens trifft.

Unser lieber Thorry, der unsere Eindrücke immer wieder per Mail gekonnt kommentiert wie damals Delling und Netzer Fußball-Spektakel, hat neulich einen Artikel über Philosophie gelesen und uns die Essenz daraus geschickt:



Das Wichtigste im Leben ist es nicht, glücklich zu sein – sondern einen Sinn zu finden.



Ob es immer so viel Sinn macht, was wir so tun, bleibt mal dahingestellt. In letzter Zeit hat sich der Sinn tagsüber halt in Schweiß aufgelöst. Ich habe dann oft ein Messer genommen, um Lebensmittel in eine andere Form zu bringen, damit sie in eine feuerfeste Schale passen, das Ganze dann mit einer schmierigen Substanz übergossen, damit es nicht so trocken wird, und das Ganze mit Hitze in einen Zustand versetzt, in dem sich die Geschmacksstoffe verbinden. Über eine Öffnung im Gesicht haben wir es dann unserem Körper zugeführt, aber erst, nachdem vertraute Geräusche im Magen uns darauf aufmerksam gemacht haben, dass der Körper wieder Energie braucht. Die hatten wir ihm zuvor geraubt, als wir mit einem Hüftgurt und einem daran gebundenen Seil versucht haben, Felswände nach oben zu steigen, ungeachtet der Tatsache, dass der menschliche Körper an sich dafür nicht besonders gut ausgestattet ist und alltagsfernes Geschick aufbringen muss, um eine Wand mit winzigen Griffen und Tritten hochzukommen, zumal ihn die Schwerkraft stets daran erinnert, wo er eigentlich hingehört.

Soviel zur Sinnfrage. Aber es macht ganz eindeutig glücklich. Was sagen die Philosophen dazu?

Was Sinn macht, und was nicht, muss ausprobiert werden. Und so haben wir den Unsinn festgestellt, vom Val Durance die Landstraße nach Südtirol zu nehmen. Die führt über einen breiten Kamm an Industriegebieten, die Kreisverkehre alle 1,5 Kilometer haben wir aufgehört zu zählen, so absurd viele waren das. Noch absurder gestaltet war die Anzeige der Restkilometer nach Brescia: erst 54, dann 34, dann 47, 58, 30, 12, aber alles geradeaus. Begleitet von Gewittern und dem Duftwechsel von Produktion und Gülle fuhren wir irgendwo hin, wo wir nicht mehr konnten und in ein beleuchtetes Industriegebiet hinein, es war ja nur für eine Nacht. Sechs Stunden, zwei Fabrikalarme (keine Ahnung, wieso eigentlich), Chrissies Schnarch-Concerto in C-mol und gefühlt null Stunden Schlaf später hatte ich die Schnauze voll, also ab hinters Steuer und weiterfahren ins gelobte Südtirol; nur noch 4 Stunden. Motor an, hoch die Zufahrt zur Landstraße. Schon da dröhnte uns Alberto die Ohren voll und wollte nicht so recht, hat wohl auch schlecht geschlafen. Beschleunigen geht anders, dachten wir uns und mussten einsehen, dass etwas massiv nicht in Ordnung war. Motorschaden. Dachten wir zumindest. Also erstmal rechts ran, Motorhaube auf, Gas im Leerlauf durchdrücken, aber nichts deutet auf Schäden unter der Motorhaube hin. Ein Blick unters Auto gab schließlich Aufschluss: Flach wie mein Fuß im Birkenstock lag der Vorderreifen auf dem Asphalt. Läuft wie am Schnürchen.

Nach 10 Minuten hatten wir alles für den Reifenwechsel vorbereitet, wobei die Herausforderung war, trotz Warndreieck nicht von den Italienern übern Haufen gefahren zu werden, ein Warndreieck hat in Italien nämlich genauso wenig Bedeutung wie Geschwindigkeitsbegrenzungen oder Zebrastreifen. Plötzlich hält einer mit zwei jungen Tunnel-Arbeitern, die nicht nur helfen wollen, sondern auch noch englisch sprechen. Das ist in etwa so wahrscheinlich wie beim Tunnelgraben auf Gold zu stoßen. “Klar nehmen wir Hilfe, sehr gerne!”, sag ich prompt. “Das hätten wir auch selbst geschafft”, sagt Chrissie später. Vielleicht schon, aber wann wohl? Die beiden haben kaum 15 Minuten gebraucht.





Aber auch nur, weil wir Chrissie sei dank vor unserer Reise überhaupt einen Ersatzreifen nachgerüstet hatten. Sonst würdet ihr hier eine andere Geschichte lesen, vermutlich epischer und abenteuerlicher, mit Heldenportraits italienischer ADAC-Schlepper und KfZ-Mechaniker.

Und nun, völlig übermüdet aber mit viel Glanz in den Augen angesichts der überragenden Kletterbedingungen in den Dolomiten in Toblach (Dobiacco), sind wir am Ziel angekommen, um hier weiter den Sinn in den Bergen und am Fels zu suchen: Wo sonst ist er zum Greifen näher.





Ein erster Sinn erschließt sich bereits über die Erinnerung an einen legendären Roadtrip 2004, als Anne, Felix und ich in Innichen (San Candido) Gabriel besucht haben, den wir hier nun 2018 wiedertreffen - unter anderen Vorzeichen. Das ist nun sage und schreibe 14 Jahre her! Man staunt wie viel sich hier verändert hat - und wie gefühlt wenig man selbst…


In diesem Sinne: Prost! Auf das nächste Abenteuer nach außen und innen






Pfiati,

Anna & Chrissie

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