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  • AutorenbildAnna Henschel

Keine Natur ohne Gefühle

In seiner jüngsten Publikation erklärt der Förster und Bestseller-Autor Peter Wohlleben anhand plastischer Beispiele, wie wir „Das geheime Band zwischen Mensch und Natur“ erkennen und stärken können. Damit eröffnet er oft einen faszinierenden Blick und lässt uns über die Natur staunen – und damit auch über uns selbst.




Dass wir Ökosystemen mit unserem verschwenderischen Verhalten schaden, wissen wir. Wären wir umsichtiger, wenn wir uns selbst mehr als Teil der Natur wahrnehmen würden?


In seiner jüngsten Publikation erklärt der Förster und Bestseller-Autor Peter Wohlleben in bewährt eingängiger Manier, wie wir „Das geheime Band zwischen Mensch und Natur“ individuell erkennen und stärken können. Sein faszinierender Blick führt über den Tellerrand und lässt uns Natur mit ungekannten Sinnen erleben. Mit diesem aktuellen Werk schließt der Autor seine Bestsellerreihe zum verborgenen Zusammenspiel von Lebewesen und deren Lebenswelten ab und vervollständigt sie mit Erkenntnissen, die unser Verhältnis zur Natur reflektieren.

In allgemein verständlicher Sprache erklärt er die Mechanismen, die dazu geführt haben, dass wir mit unserer Umwelt ins Ungleichgewicht geraten sind: weil wir ihre Ressourcen nicht mehr gebrauchen, sondern missbrauchen.


Wir sind Teil eines Ökosystems, ohne das wir nicht leben können


Dies macht er vor allem anhand des Waldes und der Forstwirtschaft deutlich, ein Biotop, in dem er sich als Förster bestens auskennt. Eine zentrales Merkmal dieses Ungleichgewichts misst er der Zeit und dem Tempo zu, in dem wir aus den Vollen schöpfen. Die Nutzung unserer natürlichen Ressourcen haben wir der menschlichen Verweildauer unterworfen und schaufeln uns damit am Ende unser eigenes Grab. Damit bietet er gleichzeitig einen fast schon banalen Erklärungsansatz, warum wir uns immer mehr um unsere Umwelt scheren und die Nähe zur Natur suchen: Weil wir fühlen, dass wir Teil eines Ökosystems sind, ohne das wir nicht leben können.


In der Natur liegt der Zauber der Welt


Wer darin die Abrechnung eines Naturromantikers mit dem homo technicus vermutet, der sollte das Buch erst recht lesen - schon allein, weil daraus die Fortsetzung unserer Kulturgeschichte zu lesen ist. 1919 brachte Max Weber mit seiner Diagnose zur „Entzauberung der Welt durch die Rationalisierung“ die Funktionalisierung der Natur auf den Punkt. Diese Entwicklung mündet heute im Effekt, dass wir uns umso mehr nach etwas Ursprünglichem wie der Natur sehnen und die Verbundenheit mit ihr suchen, und zwar nicht auf rationaler, sondern emotionaler Ebene. Und hier trifft Wohlleben ins Schwarze. Mit vielen konkreten Beispielen und Anreizen ermuntert er uns, die Verbindung zur Natur am eigenen Leib zu erforschen und zu erspüren. Dabei entdecken wir das ganze Spektrum unserer Sinneswahrnehmungen und erleben sie durch Gefühl, ohne dabei den Pfad des Verstandes zu verlassen.


So ist der Aufruf zur Selbsterfahrung eine der großen Stärken und roter Faden des Buches. Eine weitere liegt in den nachvollziehbaren Erläuterungen komplexer Sachverhalte. Fachliche Informationen, persönliche Anekdoten und Gespräche mit Wissenschaftlern verschiedener Disziplinen gleiten in einem geschmeidigen Erzählfluss stromabwärts, bis sie schließlich in einer kurzen Zusammenfassung eines jeden Kapitels münden. In Verbindung mit der bildhaften Sprache wirkt der Inhalt wie ein Dokumentarfilm, der vor dem geistigen Auge abläuft. So beobachtet man Wohlleben förmlich bei seinem Ausflug zum ältesten Baum der Erde und merkt sich Details, selbst die am Wegesrand.


Und was bringt uns nun all die Erkenntnis? Zurück bleibt ein Keim, der sich vielleicht schon beim nächsten Spaziergang regt. Denn wenn wir die Sinne schärfen und den Einfluss unseres Verhaltens auf die Umwelt emotional wahrnehmen, stärken wir das Band, begreifen vielleicht eher, was auf dem Spiel steht – und drosseln das Tempo. Darin hat uns die Natur schon mal einiges voraus.


Peter Wohlleben: „Das geheime Band zwischen Mensch und Natur“. München, Ludwig Verlag, 2019, 22,00 EUR.




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