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  • AutorenbildAnna Henschel

Back to the Roots - Pit-Stop



Ich habe lange mit diesem Eintrag gerungen und die letzte Runde verloren, also gibt es nun etwas zu lesen, das eigentlich von meiner Seite aus nicht hier stehen dürfte, aber der Text wollte es so.

Der Italiener von oben telefoniert mit Italien, der Lautstärke nach zu urteilen mit ganz Italien, und eigentlich telefoniert er nicht sondern vertreibt die Singvögel viel zu früh in den Süden. Er bräuchte eigentlich gar kein Telefon, das Organ reicht bis nach Neapel.

Vor dem geistigen Auge muss ich schmunzeln. Meine Eltern haben erzählt, der gute Mann schleudert Teebeutel aus dem Fenster, die sich elegant um die Tanne im Garten wickeln. Bis Weihnachten sind sie sicher zu einem dekorativen Schmuck zusammengeschrumpft.

Mit geschlossenen Augen könnte man meinen, hier auf dem Balkon sei man in Italien, der Altweibersommer ist bestechend warm.

Der aufmerksame Leser hat unlängst festgestellt, dass hier was faul ist, denn wir mussten ja eigentlich selbst in Italien sein, anstatt über den Nachbarn im 2. Stock zu lästern, der sich offenbar selbst nicht in Italien befindet. Ausschlaggebend für die Wahl unserer Ziele waren bislang immer Wetter und Felsdichte, nun sind wir dem Prinzip der Quelle des Lebens und der Quelle der Reise gefolgt - und derzeit tatsachlich da, wo wir vor 4 Monaten losgefahren sind, in Sipplingen nämlich (siehe Blogeintrag Nr. 1.), weil Muttern 60 Jahre Leben feiert und wir ihr mithilfe der Verschwiegenheit meines zauberhaften Bruders, den Muttern vor 30 Jahren ins Leben rief, einen Überraschungsbesuch hinlegten, der sich mit Freudentränen gewaschen hat.


Chrissie damals Chrissie heute


Einzig die Intuition meiner Patentante und Mutter-Schwester, die aus Polen angereist kam, hätte unser Vorhaben verraten können, aber auch sie behielt ihr Gefühl für sich und sah sich am Ende in herzlicher Genugtuung bestätigt. Nur ein Überraschungsbesuch der Henschel-Eltern hätte den ganzen Zirkus noch getoppt, aber die sind eingegraben in häuslichen Renovierungsarbeiten und konnten leider nur fernmündlich teilnehmen.

An dieser Stelle brennt es mir in den Nägeln, zu erzählen, dass wir auch einen kurzen Abstecher nach Freiburg gemacht haben, aber das behalte ich jetzt mal für mich, ist auch in Grunde genommen nicht der Rede Wert, denn es war eigentlich nur ein Boxenstop, um Alberto mit Winterreifen zu besohlen und mit unseren Zwischenmietern abzuklären, ob sie an einer Verlängerung der Zwischenmiete interessiert wären. Da es unseren Zimmerpflanzen gut geht und überhaupt sich alle in der gegenwärtigen Situation wohlfühlen, sollte man sie auch möglichst lange so belassen wie sie ist - never change a running system. Was wir da sonst noch so gemacht haben, bleibt jetzt mal unter uns und denen, die mitgemacht haben, vor allem aber in bester Erinnerung, die mir das Herz aufgehen lässt. Die Eindrücke von Daheim reichten jedenfalls aus, um sich auf die Rückkehr zu freuen, konnten es jedoch noch nicht mit der Sehnsucht nach der Weiterreise aufnehmen. Daher spielen wir Verlängerung und peilen ein 4:4 an.

Wir gönnen uns also nur zur Halbzeit eine gemäßigte Dekadenz in der Zivilisation einer häuslichen Umgebung. Wer übrigens denkt, gemäßigt und Dekadenz sei ein Widerspruch, dem sei erklärt, dass Chrissie sich zwar überfressen hat, allerdings erst am dritten Abend. Ich wiederum habe binge watching betrieben und nach drei Folgen “Babyon Berlin” gerade so den Absprung ins Bett geschafft, damit noch was von dieser berauschenden Berliner Welt der späten 20er Jahre übrig ist, in die ich mich flüchten kann, wenn wir irgendwann wieder in unser altes Zuhause kommen sollten und alle aktuellen Bücher von Elena Ferrante schon längst ausgelesen sind. Alles in allem ist es irgendwie schräg, wieder hier zu sein, aber eigentlich sind wir ja nicht “wieder hier” sondern “nur mal kurz da”, und schon heute Abend wird die Schräglage wieder begradigt, in Italien, wo das Echo des Italieners aus dem 2. Stock sich bereits verflüchtigt hat und wir vor 4 Monaten angekommen waren, um draußen zu Hause leben zu dürfen. Wir haben uns mit Gebrauchsgegenständen für die kommenden 4 Monate versorgt, unser Budget für den Monat kräftig strapaziert, aber der Wert dieses kurzen Besuchs und der Freude über Freunde und Familie bleibt unbezahlbar und gibt mehr Auftrieb als jede Tankfüllung.


Liebst,

Anna & Chrissie

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